Skip to main content
Gewerblicher Rechtsschutz, Wettbewerbsrecht

Update: Bitte recht nachhaltig: Werbung mit „Green Claims“

By 4. Juli 2024No Comments

Einleitung

Bereits im Oktober vergangenen Jahres haben wir über die Voraussetzungen und Risiken für Unternehmen bei der Verwendung von umweltbezogenen Werbeaussagen, sog. „Green Claims“, informiert. Mit Urteil vom 27.6.2024 hat sich nun erstmals der Bundesgerichtshof mit der Zulässigkeit derartiger Aussagen auseinandergesetzt (Az. I ZR 98/23)[1].

Sachverhalt

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag die Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ bei der Bewerbung von Süßwaren zugrunde. Konkret warb die Beklagte, ein bekanntes Fruchtgummi- und Lakritzunternehmen, in einer Fachzeitschrift mit der Aussage „Seit 2021 produziert […] alle Produkte klimaneutral“. Dabei verwendete die Beklagte ein Logo, das ebenfalls den Begriff „klimaneutral“ enthielt und auf die Website eines „ClimatePartners“ verwies. Unstreitig ist, dass die Produkte nicht CO2-neutral hergestellt werden, sondern dass die Beklagte über einen „ClimatePartner“ Klimaschutzprojekte unterstützt.

Die Klägerin, die Wettbewerbszentrale, hielt diese Werbeaussage für irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG und nahm die Beklagte unter anderem auf Unterlassung in Anspruch. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Aussage so, dass die Produktion selbst klimaneutral sei. Jedenfalls müsse die Werbeaussage dahingehend ergänzt werden, dass die Neutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden solle.

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, da die angesprochenen Verkehrskreise (Leser der Fachzeitschrift) den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen CO2-Bilanz verstünden und ihnen bekannt sei, dass eine Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensation von Emissionen erreicht werden könne. Dem Leser würden auch keine wesentlichen Informationen im Sinne von § 5a Abs. 1, 3 UWG vorenthalten. Zwar sei die Information, auf welche Weise die Neutralität erreicht werde, wesentlich, so dass hierüber aufgeklärt werden müsse. Diese Aufklärung könne aber über die in der Werbung angegebene Website von „ClimatePartner“ erfolgen, die zudem über einen abgedruckten QR-Code aufgerufen werden könne.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof der Klage nunmehr stattgegeben und die Beklagte wegen Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verurteilt. Zwar stimmte der Bundesgerichtshof den Vorinstanzen darin zu, dass die Leser der Fachzeitschrift – ebenso wie die Verbraucher – den Begriff „klimaneutral“ sowohl im Sinne einer CO2-Reduzierung im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von Emissionen verstünden und der Begriff daher mehrdeutig sei. Da das Irreführungsrisiko im Bereich umweltbezogener Werbeaussagen besonders groß sei, bestünde jedoch ein gesteigertes Ausklärungsbedürfnis über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Inhalte und Zeichen. Aufgrund dessen müsse bei einer Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie „klimaneutral“ zur Vermeidung einer Irreführung bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Nicht ausreichend seien in diesem Zusammenhang aufklärende Hinweise außerhalb der Umweltwerbung (hier: durch Verweis auf die Website des Partnerunternehmens). Ferner führte der Bundesgerichtshof aus, dass im konkreten Fall eine Aufklärung insbesondere deshalb erforderlich war, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen. Unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes sei die Reduktion gegenüber der bloßen Kompensation vorrangig.

Fazit

Die Entscheidung des BGH ist nicht überraschend. Sie reiht sich vielmehr in die in unserem vorherigen Newsletter aufgezeigte untergerichtliche Rechtsprechungs-Tendenz ein, die rechtlichen Anforderungen an eine zulässige Verwendung von umweltbezogenen Werbeaussagen zu verschärfen. Die Entscheidung hat zudem nicht nur Auswirkungen auf die Lebensmittelbranche, sondern ist branchenübergreifend von Bedeutung.

Der BGH stellt klar, dass bei umweltbezogenen – ebenso wie bei gesundheitsbezogenen – Werbeaussagen eine besonders hohe Irreführungsgefahr besteht. Dabei stellt das Gericht auch klar, dass hinsichtlich der erforderlichen Aufklärung keine unterschiedlichen Maßstäbe zwischen Fachpublikum und Verbrauchern gelten dürfen. Diese Aufklärung muss auch bereits in der Werbung selbst erfolgen. Der Verweis auf eine Internetseite mit weitergehenden aufklärenden Informationen reicht daher – jedenfalls im Bereich der Printmedien – nicht aus. Bemerkenswert ist, dass der Bundesgerichtshof auch deutlich macht, dass die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen darstellen.

In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hinweisen, wonach es unzulässig ist, Biozidprodukte (wie etwa Desinfektionsmittel) mit der Aussage „hautfreundlich“ zu bewerben[2]. Nach der Biozid-Verordnung dürfen diese Produkte nicht in einer Weise beworben werden, die irreführend hinsichtlich der Gesundheits- oder Umweltrisiken oder der Wirksamkeit ist. Die Bezeichnung „hautfreundlich“ für Desinfektionsmittel ist deshalb irreführend, weil sie dem Verbraucher suggeriert, dass das Produkt vorteilhaft für die Haut sein kann, also einen positiven Einfluss hat. Mögliche Risiken des Produktes werden dadurch relativiert. Dies rechtfertigt es, die Verwendung dieses Begriffs in der Werbung für diese Produkte zu verbieten.

Ähnlich wie der BGH stellt der EuGH daher im Ergebnis auch hier darauf ab, dass der verwendete Begriff „hautfreundlich“ mehrdeutig ist, da sie eine positive Konnotation hervorruft und geeignet ist, schädliche Nebenwirkungen zu relativieren.

Ausblick

Bei der Verwendung von umweltbezogenen Werbeaussagen ist für Unternehmen daher weiterhin äußerste Sorgfalt geboten, um sich nicht dem Vorwurf der Irreführung oder des „Greenwashing“ auszusetzen. Dies gilt mit der aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes jetzt erst recht. Unternehmen, die ihre Produkte oder Dienstleistungen mit umweltbezogenen Aussagen bewerben, müssen daher in der Werbung möglichst umfassend und detailliert über die getroffenen Maßnahmen informieren. Darüber hinaus muss der Werbende in der Lage sein, die Aussage zu belegen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten EU Green Claims Directive[3]. Ziel dieser EU-Richtlinie ist es – ähnlich wie bereits seit längerem für den Bereich gesundheitsbezogener Aussagen durch die EU Health Claims Verordnung – Kriterien für die Verwendung von umweltbezogenen Werbeaussagen festzulegen, um Verbraucher in die Lage zu versetzen, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Hierbei sollen Mindestanforderungen an die Begründung, Kommunikation und Überprüfung dieser Aussagen festgelegt werden. Diese sollen dabei insbesondere auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Besonders weitreichend: Der Vorschlag sieht eine vorherige Überprüfung ausdrücklicher Umweltaussagen und -zeichen vor. Das heißt, jede Umweltaussage muss vor der Verwendung von unabhängigen externen Sachverständigen überprüft werden. Bevor die EU Green Claims Directive verabschiedet wird, werden sich zunächst der Rat und das Europäischen Parlament auf eine endgültige Fassung der Richtlinie verständigen (sog. Trilog). Wesentliche Änderungen sind hierbei jedoch nicht zu erwarten.

Mit der stetigen Verschärfung der Zulässigkeit umweltbezogener (und zuvor schon gesundheitsbezogener) Werbeaussagen steigt für die werbenden Unternehmen das Risiko einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung wegen Irreführung und des damit verbundenen Reputationsverlustes einmal mehr. Unternehmen, die frühzeitig die erforderlichen Maßnahmen umsetzen, können sich daher einen nicht unerheblichen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern verschaffen und ihre Marktposition stärken.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Umsetzung geeigneter Maßnahmen, um den Risiken vorzubeugen und auch zukünftig rechtssicher Ihre Produkte und Dienstleistungen am Markt zu bewerben.

[1] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 138/2024 v. 27.6.2024

[2] EuGH, Urt. v. 20.6.2024, Rs. C-296/23

[3] vgl. Pressemitteilung des Rats der Europäischen Union vom 17.6.2024

Hinweis

Wir möchten darauf hinweisen, dass die allgemeinen Informationen in diesem Newsletter eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.