Skip to main content
Handels- und Vertriebsrecht

Vertriebs-Praxis – Betroffenheit kleiner und mittlerer Unternehmen unter dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

By 2. Februar 2022März 10th, 2022No Comments

Einleitung

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Unternehmen mit weniger als 3.000 – bzw. ab dem 1. Januar 2024 unter 1.000 Arbeitnehmern – im Inland werden nicht unmittelbar vom LkSG in die Pflicht genommen.[1] Wer aber glaubt, damit seien die neuen Regelungen für kleine und mittlere Unternehmen irrelevant, liegt falsch. Denn auch für sogenannte unmittelbare und mittelbare Zulieferer ändert sich durch das Inkrafttreten des LkSG eine Menge. Was auf diese Unternehmen zukommt, zeigt der folgende Beitrag.

Kleinere und mittlere Unternehmen

Das LkSG eröffnet verschiedene Verantwortlichkeiten und beeinflusst deshalb auch den Umgang mit menschen- und umweltrechtsbezogenen Risiken in kleineren Unternehmen. Denn die unmittelbar aus dem LkSG verpflichteten (größeren) Unternehmen (nachfolgend: Unternehmen) geben die Einhaltung der entsprechenden Pflichten vertraglich in der Lieferkette weiter.

Das Gesetz selbst differenziert zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern. Gemäß § 2 Abs. 7 LkSG ist ein unmittelbarer Zulieferer „ein Vertragspartner, dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind.“ Es handelt sich also, wie der Begriff schon erkennen lässt, um einen direkten Vertragspartner in der Lieferkette des Unternehmens. Als mittelbare Zulieferer gelten alle Zulieferer, die nicht direkte Vertragspartner sind, deren Zulieferungen aber tatsächlich für die Herstellung des Produkts des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind, vgl. § 2 Abs. 8 LkSG.[2]

Neues Pflichtenprogramm

Unmittelbare Zulieferer:

Als unmittelbarer Zulieferer ist man einerseits gegenüber dem Unternehmen selbst verpflichtet und trägt andererseits Verantwortung für die eigene Lieferkette.

Basierend auf einer Risikoanalyse verankert das (unmittelbar verpflichtete) Unternehmen im Verhältnis zum unmittelbaren Zulieferer Präventionsmaßnahmen. Die dafür vorzunehmende Risikoanalyse umfasst deshalb neben dem eigenen Geschäftsbereich auch den des unmittelbaren Zulieferers, § 5 Abs. 1 S. 1 LkSG.

Da die Menschenrechtslage dynamisch ist, muss man sich als unmittelbarer Lieferant mindestens jährlich, aber auch anlassbezogen auf eine solche Risikoanalyse einstellen (§ 5 Abs. 4 LkSG). Anlass zur einer Risikoanalyse besteht immer dann, wenn sich wesentliche Veränderungen in der Geschäftstätigkeit, eine Produkteinführung oder andere grundlegende geschäftliche Veränderungen abzeichnen – also immer dann, wenn sich das Risiko in der Lieferkette erhöht.[3] Einer missbräuchlichen Ausgestaltung der Lieferkette wird vorgebeugt, indem bei Umgehungsgeschäften der mittelbare dem unmittelbaren Zulieferer gleichgestellt wird (§ 5 Abs. 1 S. 2 LkSG).[4]

Ausgehend von der Risikoanalyse muss das Unternehmen „Präventionsmaßnahmen“ gegenüber dem unmittelbaren Zulieferer implementieren, § 6 Abs. 4 LkSG. Im Einzelnen heißt es in den Regelbeispielen von Absatz 4: menschenrechts- und umweltbezogene Erwartungen spielen bei der Auswahl des Zulieferers eine Rolle (Nr. 1), der Zulieferer hat eine vertragliche Zusicherung abzugeben, dass er die entsprechenden Vorgaben einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert (Nr. 2), der Zulieferer verpflichtet sich vertraglich zu Kontrollmechanismen, Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen zur Durchsetzung der vertraglichen Zusicherung (Nr. 3) und zur Durchführung risikobasierter Kontrollmaßnahmen (Nr. 4).

Durch vertragliche „Weitergabeklauseln[5]“ soll gewährleistet werden, dass der Zulieferer das Risiko in der folgenden Lieferkette adressiert und die durch das Unternehmen gemachten Vorgaben eingehalten werden. Wurde aufgrund der Analyse ein Risiko festgestellt, ist Abhilfe zu schaffen, die im worst Case auch den Abbruch der Vertragsbeziehungen zwischen Unternehmen und Lieferant bedeuten kann (§ 7 Abs. 3 LkSG).

Mittelbare Zulieferer:

Wie dargestellt, sind unmittelbare Zulieferer nicht selbst – insofern sie unter der maßgeblichen Schwelle bleiben – zu Präventionsmaßnahmen gegenüber ihren Zulieferern, also aus Sicht des Unternehmens den mittelbaren Zulieferern, verpflichtet. Dies gilt jedenfalls für das LkSG. Aufgrund der mit dem Unternehmen geschlossenen Vereinbarung wird sich in der Regel aber sehr wohl eine Pflicht des unmittelbaren Zulieferers ergeben, gegenüber seinem Lieferanten spiegelbildlich zu den eigenen Pflichten Präventionsmaßnahmen vertraglich festzulegen.

Was mittelbare Zulieferer betrifft, treffen die Unternehmen hier keine regelmäßigen Sorgfaltspflichten, sondern nur anlassbezogene Pflichten, das heißt nur dann, wenn das Unternehmen substantiierte Kenntnis über eine mögliche Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern erhält (§ 9 Abs. 3 LkSG), müsste das Unternehmen aktiv werden.

Sanktionen und Haftung

Anders als Unternehmen unterliegen Zulieferer nicht direkten Sanktionen nach dem LkSG.[6] In der Gesetzesbegründung wird allerdings die Verhängung einer Vertragsstrafe vorgesehen.[7]

Ganz grundsätzlich besteht aber das Risiko gegenüber dem Unternehmen zu haften, wenn der Lieferant die vertragliche Zusicherung nicht einhält. Dabei handelt es sich um einen ganz „normalen“ Vertrag, der die Pflicht des Zulieferers zum Gegenstand hat, die menschenrechts- und umweltbezogenen Vorgaben des Unternehmens einzuhalten und entlang der Lieferkette zu adressieren. Wird diese Pflicht verletzt, kann das zum Beispiel die Zahlung eines Schadenersatzes zur Folge haben.

Praxistipp

Unternehmen, die als unmittelbare Zulieferer unter LkSG gelten, tun gut daran, sich bereits jetzt Gedanken zu machen, wie man mit den steigenden Anforderungen von Vertragspartnern umgeht. Größere Unternehmen unterliegen zwar erst ab 2023 den entsprechenden Sorgfaltspflichten, werden aber mit einiger Vorlaufzeit auf ihre Zulieferer zugehen und diese zu vertraglichen Zusicherungen auffordern.

Eine eigene Risikoanalyse, die Etablierung einer gewissen Best Practice im Umgang mit größeren Unternehmen, zum Beispiel den großen Handelspartnern, und entsprechende Änderungen im Vertragsmanagement sind Aufgaben, die im Zuge dessen auch auf kleinere Unternehmen zukommen werden. Schließlich ist die Erfüllung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten aufgrund der anlassbezogenen – und sonst jährlich stattfindenden – Risikoanalyse eine Daueraufgabe, die stets bei wesentlichen Änderung des Geschäftsbetriebs sowohl bei kleineren als auch größeren Unternehmen berücksichtigt werden sollte.

Fazit

So eine unbedeutende Rolle wie manche vermuten mochten, spielt das LkSG für viele kleinere und mittlere Unternehmen nicht. Zwar sind diese nicht unmittelbar verpflichtet, aus den sich für große Unternehmen ergebenden Sorgfaltspflichten erwachsen aber mittelbar Konsequenzen in der Vertragsbeziehung zwischen Handel und Lieferant.

Deshalb ist es empfehlenswert, sich frühzeitig „LkSG-konform“ aufzustellen. Denn das beugt nicht nur menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken vor, sondern steigert auch die eigene Attraktivität als Vertragspartner auf dem Markt. Das als Chance zu nutzen und nicht als Bürde, ist Aufgabe der Stunde.

 

[1] Innerhalb von verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) sind Arbeitnehmer konzernangehöriger Gesellschaften zu berücksichtigen, § 1 Abs. 3 LkSG. Bis zum 30. Juni 2024 evaluiert der deutsche Gesetzgeber zudem, ob der Schwellenwert angepasst und damit abgesenkt werden soll, vgl. BT-Drs. 19/28649 S. 32.

[2] BT-Drs. 19/28649 S. 41.

[3] BT-Drs. 19/28649 S. 45.

[4] BT-Drs. 19/28649 S. 44.

[5] BT-Drs. 19/28649 S. 48.

[6] Unternehmen können von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden (§ 22 LkSG) und mit einem Bußgeld belegt werden (§ 24 LkSG).

[7] BT-Drs. 19/28649 S. 49: „Ist absehbar, dass der unmittelbare Zulieferer den im Konzept erarbeiteten Anforderungen nicht nachkommt, sollte das Unternehmen eine Vertragsstrafe durchsetzen, die Geschäftsbeziehungen nach Maßgabe vertraglicher Vereinbarungen zeitweise aussetzen oder das Unternehmen von möglichen Vergabelisten streichen, bis der Ver­tragspartner die Verletzung beendet hat.“

Hinweis

Wir möchten darauf hinweisen, dass die allgemeinen Informationen in diesem Newsletter eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.